Bettina Stark-Watzinger

Nein zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes

nein

Ich habe heute gegen die Änderung des Infektionsschutzgesetzes gestimmt. Als Freie Demokraten lehnen wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung ab, weil er zu viele Mängel aufweist. Jeder muss Verantwortung übernehmen, damit wir die Pandemie überwinden und Gesundheit schützen. Aber alle Maßnahmen, die Grundrechte einschränken, Bildungschancen nehmen und der Wirtschaft schadet müssen verhältnismäßig sein.

Der Entwurf berücksichtigt keinerlei Erkenntnisse, die im Laufe des vergangenen Jahres gesammelt wurden. Es fehlt immer noch eine flächendeckende Teststrategie, da zum Beispiel testbasierte Öffnungen größere wirtschaftliche, aber auch soziale Schäden abwenden könnten. Es wird immer noch krampfhaft an der 7-Tage-Inzidenz festgehalten, die jedoch als alleiniger Maßstab nicht geeignet ist. Für eine differenziertere Betrachtung müssen stattdessen auch weitere Kennzahlen wie etwa die Auslastung von Intensivbetten und die Impfquote mit einbezogen werden. Zudem hat das RKI der Ministerpräsidentenkonferenz bereits Zahlen vorgelegt, dass Menschen mit voller Schutzimpfung SARS-COV-2 mit großer Wahrscheinlichkeit nicht weiter übertragen können.

Außerdem stellt die geplante nächtliche Ausgangsperre für uns einen unverhältnismäßigen und epidemiologisch unwirksamen Eingriff in die Grundrechte und Freiheiten der Bürgerinnen und Bürgern dar. Wenn die größte Gefahr vor einer Infektion in geschlossenen Räumen stattfindet, kann man Menschen nicht pauschal in diesen einsperren. Der abendliche Spaziergang alleine oder zu zweit stellt zu keiner Uhrzeit, erst recht nicht am späten Abend, ein Infektionsrisiko dar. Nachdem bereits mehrere Gerichte regionale Ausgangssperren als rechtswidrig eingestuft haben, wird sich auch das Bundesverfassungsgericht im Falle einer bundesweiten Regelung mit ihnen beschäftigen müssen. Unsere Fraktion hat noch einmal deutlich klar gemacht, dass diese verfassungsrechtlichen Bedenken ernst genommen werden müssen und dass wir Freien Demokraten in Karlsruhe gegen eine Ausgangssperre klagen werden. 

Was wir jetzt brauchen, sind intelligente und zielgerichtete Lösungen, die in einem geordneten Prozess vom Deutschen Bundestag beschlossen werden. Deshalb lautet unser unmissverständlicher Appell in diesen Tagen: Finger weg von Ausgangssperren und Fokus auf das wirklich Notwendige: Kontakte reduzieren, Testkapazitäten ausweiten und Impftempo erhöhen.

Nach dem PR-Desaster um die „Osterruhe“ gibt die Bundesregierung mit der „Bundesnotbremse“ erneut einen Schnellschuss ab. Sie legt ein aus heißer Nadel gestricktes Gesetz vor, dem die Bundestagsfraktionen im Eilverfahren zustimmen sollen. Wir finden: Eine weitere Blamage würde nicht nur dem Ansehen des Deutschen Bundestages schaden, sondern das Vertrauen der Menschen in die Pandemiebekämpfung weiter untergraben.

Einzig positiv ist der Kompromiss der letzten Tage zwischen CDU und SPD, der besagt, dass die Bundesregierung keine Verordnungen zur Eindämmung der Pandemie am Bundestag vorbei erlassen kann. Die alte Fassung des Gesetzentwurfs sah vor, dass die Bundesregierung ermächtigt wird, „zur einheitlichen Festsetzung von Corona-Maßnahmen Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen“. Eine solche Verordnungsermächtigung mit Zustimmungsfiktion am Bundestag vorbei wäre unserer Demokratie nicht würdig. Trotzdem macht die Umkehr in diesem, wenn auch sehr wichtigen Punkt, den Entwurf als Ganzes noch nicht zustimmungsfähig.