Bettina Stark-Watzinger

Persönliche Erklärung

Persönliche Erklärung nach § 31 GO BT

 

zum Abstimmungsverhalten am 25.03.2021 zum Tagesordnungspunkt 10 „Eigenmittelsystem der EU“

  1. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Beschluss des Rates vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union und zur Aufhebung des Beschlusses 2014/335/EU, Euratom (Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz – ERatG), BT-Drucksache 19/26821

 

Die Corona-Krise hat einige Mitgliedstaaten der Europäischen Union besonders hart getroffen. Deshalb ist es richtig, dass sich Deutschland in dieser außergewöhnlichen Notsituation solidarisch zeigt und zusammen mit den anderen EU-Mitgliedstaaten finanzielle Hilfe leistet. Denn nur so kann die wirtschaftliche Erholung in allen EU-Staaten nach der Krise möglichst ausgewogen einsetzen. Die von der Bundeskanzlerin und dem französischen Staatspräsidenten zunächst vorgeschlagene Lösung wurde auf dem Europäischen Rat vom 17. bis 21. Juli 2020 durch das Verhandlungsgeschick der sog. vernünftigen Vier plus Finnland („Frugal Four“) unter Führung des liberalen niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte in jeder Hinsicht deutlich verbessert – das Aufbauinstrument „Next Generation EU“ (NGEU) bietet nun mehr Darlehen (bis zu 360 Milliarden Euro), weniger Zuschüsse (390 statt 500 Milliarden Euro), eine stärkere Betonung auf Reformen sowie bessere Kontrollmöglichkeiten der Mitgliedstaaten als im ersten Entwurf.

Bedauerlich und höchst bedenklich ist es jedoch, dass diese Bedingungen, die im Interesse der deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sind, nicht durch die deutsche Bundesregierung, sondern durch die „Frugal Four“ (Niederlande, Schweden, Dänemark, Österreich) plus zusätzlich Finnland erreicht worden sind.

Als Mitglied einer ausnahmslos pro-europäischen Partei bin ich fest davon überzeugt, dass diese europäische Gemeinschaft auf die Solidarität der Mitgliedstaaten bauen kann. Die fiskalpolitische Verantwortung liegt in Europa bei den nationalen Regierungen. Zur Solidarität gehört daher, dass jedes Land Strukturreformen zur Steigerung der eigenen Leistungsfähigkeit unternimmt. Zur Solidarität gehört auch, dass man sich an die gemeinsamen Regeln hält. Insbesondere Deutschland hat ein großes Interesse an einem starken und stabilen Europa. Stabilität und Solidarität sind zwei Seiten derselben Münze.

Auf Grund der uns vorliegenden Beschlüsse wird zum ersten Mal in der Geschichte die EU mit Schulden ihren Haushalt ausgleichen. Dieses Vorgehen birgt Gefahren und darf nicht wiederholt werden. Es ist zu begrüßen, dass der NGEU zwingend ausläuft und Änderungen nur mit Einstimmigkeit beschlossen werden können. Die Festlegung der Bundesregierung auf die Einmaligkeit der Schuldenaufnahme auf europäischer Ebene haben wir im Haushaltsausschuss mehrmals eingefordert und erhalten.

Positiv zu bewerten ist, dass der NGEU anders als z.B. der Kohäsionsfonds einer Konditionalität unterliegt. Ebenso ist eine Anbindung an das europäische Semester zu begrüßen.

Die FDP-Fraktion hat mit ihrem Entschließungsantrag auf Drucksache 19/27923 viele Schwachstellen benannt und Abhilfe gefordert. Als Mitantragstellerin schließe ich mich unserem Antrag ausdrücklich an.

Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, dass neben dem Bericht des Bundesrechnungshofs auch in der schriftlichen Stellungnahme für die Anhörung des Haushaltsausschusses zum Eigenmittelbeschluss des Sachverständigen Prof. Dr. Lars Feld aufgezeigt wurde, dass der Grund dafür, dass viele Mitgliedstaaten nicht selbst im erforderlichen Maße gegen die Krise vorgehen können, auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik der jeweiligen Länder begründet ist. In Anbetracht des Umstands, dass die Fiskalregeln ausgesetzt sind, hätte es im Zuge der Verhandlungen eines klaren Bekenntnisses zu den gemeinsamen Fiskalregeln und der Stabilitätsunion bedurft.

Das uns zur Abstimmung vorliegende Gesetz zur Ratifizierung des Eigenmittelbeschlusses inklusive dem Mehrjährigen Finanzrahmen und dem temporären Aufbauinstrument „Next Generation EU“ (NGEU) sind Ergebnis von langwierigen und kontroversen Verhandlungen auf europäischer Ebene.

Mit dem NGEU zeigen sich neben Deutschland viele Länder in Europa solidarisch mit den europäischen Partnern und bringen sich in die europäische Gemeinschaft ein. Es muss daher Ziel mit Blick auf den europäischen Gemeinsinn sein, zügig eine Rahmenvereinbarung über die Reaktivierung der Fiskalregeln zu vereinbaren. NGEU kann seine langfristige Wirkung nur entfalten, wenn nach der Krise ein Weg aus der immer weiter zunehmenden Staatsverschuldung gefunden wird. Es ist ein großes Versäumnis der Bundesregierung, dass sie die Zukunft der Fiskalregeln nicht in die Verhandlungen eingebracht hat. Vielmehr scheint es so, dass zumindest Teile der Bundesregierung an Stabilitätskriterien und Generationengerechtigkeit kein Interesse mehr haben.

In Abwägung der Gesamtsituation bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass ich dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zustimme. Ich tue dies auch, weil es sich um einen Kompromiss auf europäischer Ebene unter vielen Akteuren handelt. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass der Ausgangspunkt der Verhandlungen und damit auch das Ergebnis anders aussehen würde, hätte für die größte Volkswirtschaft Europas ebenfalls eine liberale Partei am Regierungstisch gesessen.