Bettina Stark-Watzinger

„Soziale Herkunft und Bildungserfolg hängen viel zu stark zusammen.“

Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger in der Debatte zur Vorstellung des Nationalen Bildungsberichts 2022
Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger in der Debatte zur Vorstellung des Nationalen Bildungsberichts 2022, Foto: BMBF/Hans-Joachim Rickel

Am 18. Januar 2023 hat der Bundestag über den Nationalen Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2022“ beraten. Die Rede dazu von Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger lesen Sie hier im Wortlaut.

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das, was an unseren Schulen gerade passiert oder was auch gerade nicht passiert, bewegt die Menschen in unserem Land. Uns wurden gerade heute wieder neue Zahlen von den Schulleitungen vorgelegt, und wir sehen, was ihre Sorgen sind. Und es zeigt sich doch noch einmal: Mit kurzfristiger Kosmetik werden wir unseren Kindern nicht gerecht. Es muss sich grundsätzlich etwas ändern.

Deshalb freue ich mich über die Ankündigung von Christian Lindner: 1 Bildungsmilliarde zusätzlich im Jahr. Das ist eine Größenordnung, und sie macht einen Unterschied. Gerade jetzt, in schwieriger Haushaltslage, in der alle Ausgaben geprüft werden, alle vielleicht auch sparen müssen, dauerhaft eine zusätzliche Milliarde Euro, zeigt unsere Priorität in der Koalition. Denn es gibt nur eine Botschaft: Bildung ist alles, und ohne Bildung ist alles nichts, meine Damen und Herren.

Und obwohl die Länder nach unserer Verfassung den Auftrag haben, übernehmen wir als Bund Verantwortung. Weil für uns feststeht: Wie zivilisiert und gerecht eine Gesellschaft ist, das zeigt sich am Umgang mit ihren Kindern. Die Koalition, der Bundesfinanzminister, wir sind uns einig: Die Bildungskrise in unserem Land, sie kann uns nicht ruhen lassen. Ich möchte die Bildungsmilliarde zur Startchancen-Milliarde machen - eine Investition, wichtiger denn je.

Wir wissen: Zu viele Kinder verlassen die Grundschule, ohne richtig lesen und rechnen zu können. Der Nationale Bildungsbericht zeigt noch einmal klar und deutlich: Soziale Herkunft und Bildungserfolg hängen viel zu stark zusammen, Ungleichheit abzubauen, bleibt schwierig. Kinder von Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss, Kinder von Alleinerziehenden, Kinder, die zu Hause eine andere Sprache sprechen als Deutsch - unter den Kita-Kindern ist das jedes fünfte -, sie alle haben es in der Schule schwerer, sie müssen mehr leisten als die anderen und das müssen wir sehen als Gesellschaft. Es geht um alle Kinder in unserem Land; aber der Auftrag für uns in der Bildungspolitik ist klar: Kinder mit der wenigsten Hilfe zu Hause brauchen die meiste Unterstützung in unserem Land.

Was der Nationale Bildungsbericht auch zeigt: Wir können etwas bewegen. Und je früher wir bei den Kindern ansetzen, umso besser. Wer mit schwachen Leistungen in der Grundschule startet, der kann noch aufholen. Von den Kindern, die beim Schulstart in Mathe Lücken haben, im Wortschatz Lücken haben, ein Drittel davon macht große Sprünge bis zum Ende der Grundschule in beiden Bereichen. Und nur dann erfüllt sich das Aufstiegsversprechen. Es gibt viele gute Beispiele in unserem Land. In der Pandemie war es vor allem die Lebensgeschichte von Ugur Sahin. Wir haben hier im Bundestag Aufsteiger, und wir haben sie in der Regierung. In der Zeitung schrieb kürzlich eine Lehrerin: Als sie 15 war, da wurde sie ausgelacht weil sie den Wunsch äußerte, Lehrerin zu werden. Sie hatte viel zu schlechte Noten. Sie verkroch sich tiefer im Kapuzenpulli, hatte abgeschlossen, bis der eine Mensch kam, der an sie glaubte, an der Kapuze zog, sie zurück ins Leben holte und ihr sagte: Du kannst es schaffen. – Und das war ihr Stiefvater. Ein Zufall, doch so etwas darf kein Zufall sein. Nicht hier und da mal ein Aufstieg, weil ein Kind den richtigen Nachbarn trifft, Stiefvater das Blatt wendet, sondern die Chance zum Aufstieg für alle. Das heißt, das Aufstiegsversprechen erneuern. Nicht die Länge der Bücherregale zu Hause darf über den Bildungserfolg entscheiden, sondern Talent und Leistung. Das ist die Grundlage in unserem Land.

Zielgerichtete Bildungspolitik heißt für uns: Weg von der Gießkanne, hin zu gezielten Ansätzen mit wissenschaftlicher Begleitung. Die zusätzliche Bildungsmilliarde, die geben wir gerne in das Startchancen-Programm, und zwar Jahr für Jahr. Aber wir erwarten, dass sich die Länder in gleicher Weise finanziell beteiligen. Wir arbeiten an der genauen Ausgestaltung des Programms; aber fest steht: Wir werden da investieren, wo die Herausforderungen am größten sind: an etwa 4000 Schulen mit einem hohen Anteil an sozial Benachteiligten. Die Startchancen-Schulen sollen Modellcharakter haben, echte Impulse für moderne Bildung geben. Ungleiche Bildungschancen sind die größte Ungerechtigkeit, die größte Herausforderung; hier schlummern aber auch das größte Potenzial und eine Riesenchance für unsere Gesellschaft.

Und das Aufstiegsversprechen wird auch das Thema für unseren Bildungsgipfel im März sein. Alle werden zusammenkommen: Bund, Länder, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Und wir sind uns in der Koalition einig: Wir brauchen dringend ein Kooperationsgebot zwischen Bund und Ländern. Ziel ist eine neue Kultur der Bildungszusammenarbeit, für eine leistungsfähige Bildung, für ein leistungsfähiges Land. Denn eines ist klar: Beste Bildung ist die beste Zukunft für uns.

Herzlichen Dank.